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Deutscher Journalist beantragte heute „Asyl in der schwedischen Botschaft“

Der deutsche Journalist Anselm Lenz beantragte heute «als in der Bundesrepublik Deutschland politisch Verfolgter Asyl in der schwedischen Botschaft». Veronica Nordlund, Sprecherin des Schwedischen Außenministeriums, will sich nicht zu dem Vorgang äußern. Das Königreich Schweden kommentiere keine individuellen Fälle.

Zudem sei Lenz nach eigenen Angaben wegen seines Engagements für die Bürgerrechtsbewegung «Nicht ohne uns!» und wegen der Mitgründung der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand von der taz – die tageszeitung gekündigt worden. Die Chefredaktion der taz antwortete nicht auf eine Presseanfrage.


Hintergrund der Kontroverse um Lenz ist das politische Ringen, wie auf die Restriktionen und Repressionen aufgrund neuer Gesetze, Verordnungen und Allgemeinverfügungen infolge des Kriegs gegen das Virus zu reagieren sei. Dieser Streit führt nicht nur unter Journalisten zu Verwerfungen, sondern auch innerhalb revolutionärer Strukturen und mittlerweile sogar zwischen bürgerlichen Fraktionen.

Während die Regierungsgetreuen Gesundheit über alles! rufen, wollen Demokraten im Widerstand um jeden Preis die Freiheitsrechte wahren. Selbstredend gibt es zwischen den Lagern auch Raum für Zwischentöne, die meinen, daß das Virus schon ein Problem sei, aber Verhältnismäßigkeit bei der Beschneidung von Grundrechten zu wahren sei.

Demokrat im Widerstand rezitiert Grundgesetzartikel

 

Für geteiltes Echo sorgte auch die Kundgebung «Grundrechte verteidigen – Sage NEIN zur Diktatur!», während der Lenz und seine Mitdemokraten am vergangen Samstag auf subversivste Weise und gegen die Untersagung durch die herbeigeeilten Bereitschaftspolizeitruppen eine widerrechtliche Grundgesetzverteilung durchführten. Es seien um die 250 Grundgesetz-Ausgaben der Bundeszentrale für politische Bildung illegal verteilt worden, sagte Hendrik Sodenkamp im Gespräch mit der Seite http://www.martinlejeune.de/polizei-stoppt-grundgesetzverteilung/

Während der Journalist Nicolas Riedl auf Rubikon News die Grundgesetzverteiler sachlich darstellte, rechnete die taz mit Lenz politisch ab. Erik Peter vom Berlin-Ressort, das als linksstehend gilt im Gegensatz zur realpolitisch orientierten Inland-Redaktion, stellte Lenz mit seinem Ende März auf taz Online publizierten Bericht in die Nähe der «Verschwörerszene».

Über Lenz hieß es in dem Veriss der taz, daß dieser «zuletzt auch als freier Autor der taz Berlin tätig war». Das klang schon wie eine vorauseilende Distanzierung von Lenz, der in einem Wutbrief an die taz-Redaktion wie folgt auf seine «Kündigung» reagierte: «Ich werde für mein antifaschistisches Engagement für unsere Verfassung politisch verfolgt, mit Rechtsmitteln bedroht und wurde von meinem Betrieb, taz – die tageszeitung, wo ich bis gestern als fester Freier angestellt war, deshalb gekündigt.»

Lenz beklagte, es gebe in seinem Land nur noch die Regierungspresse und kaum noch oppositionelle freie Medien. Die Demokratie sei zu Ende gegangen. «Kollegen, steht dagegen auf!», ruft Lenz den Genossen von der taz zu. Zu den Federn!

Auffallend ist, daß Lenz in Bezug auf die Belegschaft der taz, selbst über den ihn arg verunglimpfenden Redakteur Peter, weiterhin von «Kollegen» spricht, Lenz von Peter hingegen bereits gesiezt und äußerst förmlich als «Herr» (ohne Kollege) angeredet wird.

Bleibt die Frage warum Lenz gerade in Schweden als politisch Verfolgter Asyl beantragt hat? Schweden nehme nicht an der Faschisierung der Zivilgesellschaft teil, so der Journalist. Straßencafés hätten geöffnet. Oppositionelle Medien diskutierten die res publica als auch «die vermeintliche Gefährlichkeit des Virus wie der faschistoiden Maßnahmen. Niemand fällt dort tot um. Die Ansteckungsrate mit dem neuen Grippe-Erreger ist nicht einmal höher.»

Lenz, der wie sein Kompagnon Sodenkamp auch Dramaturg ist, verzichtet nicht gänzlich auf einen Hang zum Theatralischen, in dem er seinen Wutbrief an die taz-Redaktion mit einer Proklamation abschließt: «Ich rufe zum antifaschistischen Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG auf! Für erreichte liberale Grundrechte! Dahinter geht es nicht zurück! — Immer, überall und JETZT.»

Bereits einige Tage zuvor rief Lenz, der gerade Dutzende Regionalgruppen seiner Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand aufbaut, Aktivisten unabhängig ihres bisherigen Werdegangs zur Partizipation im «demokratischen Widerstand» auf:

«Die alte Welt ist gerade untergegangen. Wer in den letzten paar Jahren verfemt wurde, ist jetzt hiermit rehabilitiert. Das ganze ist jetzt ein Neustart. Wer sich ernsthaft auf die ersten 20 Artikel (des GG) zumindest dem Wertekosmos nach bezieht, … ist bei uns willkommen», sagte Lenz im Hauptstadtstudio vor der Kulisse des Reichtstags mit wehenden Deutschlandfahnen im Hintergrund. Eine offensichtliche Parodie auf die Kulisse des wöchentlichen Berichts aus Berlin des offiziellen ARD-Hauptstadtstudios.

Anstatt die Grundgesetzverteilung der demokratischen Avantgarde um Lenz und Sodenkamp journalistisch zu verreissen, hätte die taz dieses Moment des Ironischen auch als Steilvorlage für ihre legendäre Wahrheitsseite nehmen können, für die bereits Wiglaf Droste, der ebenfalls Schreibverbot bei der taz erhielt, regelmäßig Aperçus verfaßte.

Bei der Form, in die Lenz seinen «demokratischen Widerstand gegen Schlechteres» als das Grundgesetz gießt, finden sich Anlehnungen an die Projekte des Hauses Bartleby, das die systematische Karriereverweigerung propagierte. «I would prefer not to», lautete der Leitspruch der Experten des Alltags, denen bereits «Die glücklichen Arbeitslosen» um den philosophischen Gesellschaftskritiker Guillaume Paoli oder Piotr Mordel und Adam Gusowski vom Club der polnischen Versager vorangingen.

Den Karrieren der schöngeistigen Karriereverweigerern aus dem Hause Bartleby schadete ihre militante Karriereverweigerung nicht. Diese diente einigen von ihnen sogar als Karrieresprungbrett. Die Karriere von Lenz bei taz Berlin ist beendet. Ob die Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand den Karrieren weiterer Beteiliger schaden wird, hängt entscheidend von der Perzeption ihrer Aktivitäten ab.

Demokrat im Widerstand rezitiert Grundgesetzartikel

Source: martinlejeune

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Martin Lejeune

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Martin Lejeune is a freelance journalist, correspondent, political analyst and photographer based in Berlin, Germany

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