Kommentar
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bat heute Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) um die Entlassung ihres Parteifreundes Christian Hirte (CDU) aus dem Dienst der Bundesregierung. Hirte war Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer und Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, bestätigte den Vorgang: „Die Bundeskanzlerin hat heute im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie dem Bundespräsidenten gemäß §4 Satz 2 ParlStG die Entlassung von Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Christian Hirte vorgeschlagen.“
Hirte teilte lediglich über Twitter mit: “Frau Bundeskanzlerin Merkel hat mir in einem Gespräch mitgeteilt, dass ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder sein kann.“
Am 5. Februar hatte Hirte seinem Abgeordneten-Kollegen Thomas Kemmerich (FDP) zur Wahl zum thüringischen Ministerpräsidenten gratuliert: “Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats Thüringen!“
Hirte äußerte sich in dieser Sache öffentlich vor Merkel, die zu einer ganz anderen politischen Einordnung der Wahl kommt.
Am 6. Februar bezeichnete Merkel die Wahl Kemmerichs mutmaßlich mit Hilfe der Stimmen von Abgeordneten der CDU und der AfD als „unverzeihlichen Vorgang“ und verlangt, das Ergebnis der Wahl müsse korrigiert werden. „Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden“, fordert Merkel und bewertet zudem den Wahltag mit drastischen Worten: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie!“
Hirte war daraufhin nicht bereit, seine unverzeihlichen Glückwünsche an Kemmerich zu korrigieren.
Daraufhin biß die schwarze Witwe zu. Kanzlerin Merkel bat den Bundespräsidenten um Entlassung von Staatssekretär Hirte, weil dieser – anders als seine Kollegin Staatsministerin Dorothee Bär – seinen Glückwunsch an den liberalen Ministerpräsidenten Kemmerich nicht zurücknahm.
Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, gratulierte ebenfalls Kemmerich zur Wahl zum Ministerpräsidenten und praktizierte anschließend öffentliche Selbstkritik, die ihre Stellung in Partei und Regierung im letzten Moment rettete.
Konservative Kräfte der Unionsparteien sehen in den Züchtigungen von Hirte und Bär wegen des Glückwunsches an einen liberalen Kollegen die innerparteiliche Demokratie in Gefahr. Ein chinesischer Freund stellte daraufhin dem Autor die Frage, ob es denn zwischen Merkel und Mao wohl noch mehr Gemeinsamkeiten gebe, als nur den ersten Buchstaben im Nachnamen?
Der 1976 in Thüringen geborene Jurist Hirte ist seit Mai 2008 Mitglied des Deutschen Bundestages. Bei der Wahl im September 2009 konnte er das Direktmandat im Wahlkreis Eisenach-Wartburgkreis-Unstrut-Hainich-Kreis II erringen und 2013 sowie 2017 erfolgreich direkt verteidigen.
Hirte ist sehr einflußreich im thüringischen Landesverband der CDU: seit 2010 ist er Kreisvorsitzender der CDU Wartburgkreis und seit 2014 stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Thüringen. Zudem gilt Hirte als proamerikanisch. Seit 2019 ist er Präsident des Kuratoriums Deutsche Einheit e.V., der eng kooperiert mit der Point-Alpha-Stiftung, die dem Hauptquartier der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in Wiesbaden eng verbunden ist. Hirte engagiert sich zudem für das Parlamentarische Patenschafts-Programm des Deutschen Bundestages und des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika, das Jugendliche mit einem einjährigen Aufenthalt in den USA fördert.
Über seine politische Mission sagt der Vater von drei Kindern: „Ich weiß, daß nur eine pragmatische und besonnene Politik erfolgreich sein kann. Dafür werde ich den Menschen vor Ort zuhören, um ihre Anliegen in Berlin resolut vorzutragen.“
Mit dem Glückwunsch an einen Abgeordneten-Kollegen trug Hirte wohl zu resolut vor.
Add Comment